Shopper haben beim Einkauf die Grenze zwischen on- und offline längst überwunden. Auch am sta­tionären POS ergänzen immer mehr digitale Lösungen die Warenpräsentation. Damit diese Konzepte zum Erfolg führen, brauchen Händler Strategien, damit aus einem stationären POS auch ein digitaler POS wird.

Online Kundenbewertungen von einer neuen Kamera lesen, sich über Funktionen und Ausstattung informieren, Preise vergleichen, sich im Anschluss vor Ort im Laden vom Personal beraten lassen und den Kauf abschließen. Dieses Beispiel zeigt, nach welchem Muster Shopper heute Kaufentscheidungen treffen. Während der gesamten Customer Journey nutzen sie verschiedene Kanäle, wechseln dabei ständig zwischen online und offline. Um diesem Einkaufsverhalten gerecht zu werden, setzen sich stationäre Händler bereits seit einigen Jahren mit digitalen Lösungen auseinander (digitaler POS). Dabei verfolgen sie das Ziel, eine ganzheitliche Shopper Experience zu schaffen. Jedoch verdeutlicht ein Besuch auf der Verkaufsfläche: Zwar erlaubt bereits vorhandene IT-Infrastruktur digitale Werbe- und Verkaufskonzepte, die sich mit der realen Einkaufswelt kombinieren lassen. Dennoch finden sie zum Teil erst zögerlich ihren Weg in die Praxis. Welche Gründe führen zu dieser Situation? Welche Faktoren entscheiden darüber, ob Shopper digitale Angebote nutzen? Und welche Chancen eröffnen vernetzte Technologien im Detail für einen digialen POS? Antworten darauf liefern Experten aus dem stationären Handel, Digital Retail Technology und Digital Signage. 

Aktuelle Lage am POS

Im Rahmen des Consumer Barometers haben das Institut für Handelsforschung (IFH) Köln und das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG neue Technologien am POS analysiert und untersucht, wie das Angebot bei den Konsumenten ankommt. Dabei gelangt die Studie zu dem zentralen Ergebnis, dass viele Retail-Technology-Lösungen bereits im Einkaufsalltag der Befragten angekommen sind. Wenn es jedoch darum geht, Zahlungen zu tätigen oder persönliche Daten einzugeben, zeigen sich Shopper oft zurückhaltend. Eine Frage, die sich daraus ergibt: Welche Faktoren entscheiden darüber, ob digitale Services genutzt werden? „Werden neue Technologien des stationären Handels abgelehnt, dreht sich die Abneigung vor allem um einen fehlenden persönlichen Mehrwert. Weiterhin sorgen sich viele Nutzer darum, dass das eigene Verhalten beziehungsweise Konsumverhalten beobachtet wird. Ebenfalls häufig werden Bedenken in Richtung Datenschutz geäußert“, weiß Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer IFH Köln. Daher sieht er eine Aufgabe des stationären Handels darin, Aufklärungsarbeit zu leisten. Shopper sollten erfahren, wie sie einen persönlichen Nutzen aus digitalen Lösungen ziehen. Gleichzeitig sollten sie sich sicher sein, dass die eigenen Daten in guten Händen sind. In diesem Zusammenhang berichtet Dr. Hudetz: „Convenience-orientierte Aspekte und Preisvorteile sind in erster Linie die Argumente, um die Nutzerschaft neuer Technologien zu erhöhen.“

„Wie schon im Onlinehandel gilt es nun im stationären Handel durch Einsatz digitaler Technologien, dem Shopper ein möglichst bequemes, einfaches und schnelles Einkaufserlebnis zu bieten.“

Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer IFH Köln

Foto: IFH Köln

„POS-Medien bilden besonders in Sachen Kommunikation und Warenpräsentation eine perfekte Brücke zwischen stationärem und Online-Handel.“

Werner Vogt, Geschäftsführer Permaplay

Foto: Permaplay

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Dementsprechend schätzen Shopper Vorteile bezüglich Bequemlichkeit und Geschwindigkeit, wie die Studienergebnisse belegen. So nutzen 61 Prozent der Befragten bereits mobile Selbst- oder Handscanner an der Kasse. 63 Prozent würden in Zukunft in einem kassenlosen Supermarkt einkaufen. Zudem erwarten 51 Prozent der Studienteilnehmer durch technologische Unterstützung beim Einkaufen ein unkompliziertes Suchen und Finden von Produkten. „Wie schon im Onlinehandel gilt es nun im stationären Handel  durch Einsatz digitaler Technologien, dem Shopper ein möglichst bequemes, einfaches und schnelles Einkaufserlebnis zu bieten“, fasst Dr. Hudetz zusammen.

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Einkaufen 24/7 im Edeka in Renningen: Über ein Touchscreen-Display können Shopper Produkte auswählen und vor Ort abholen. Foto: Pyramid
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Interaktive Anwendung von Brillux ­Farben in Bau-und Heimwerkermärkten: Der Shopper kann neue Farbtöne auswählen und auf verschieden eingerichtete Zimmer übertragen. So kann er sich leichter vorstellen, wie die ausgewählte Farbe in der Praxis wirkt. Foto: Permaplay

Vorteile aus beiden Welten

Die Studienergebnisse des Consumer Barometers legen offen, dass digitale Technologien keine Selbstläufer sind. Vielmehr wünschen sich Shopper ein nahtloses Einkaufen, das einige Erwartungen mit sich bringt. „Dabei geht es um den schnellen, flexiblen Zugang zu weitergehenden, auch beratenden Produktinformationen und natürlich um die Verknüpfung des Onlineangebotes mit dem Vor-Ort-Einkauf“, beschreibt Uwe Schröder, Head of Sales and Marketing eKiosk die Wünsche der Shopper. Folglich wollen sie die Vorteile von Online-Shops auch am POS nutzen, ist sich Werner Vogt, Geschäftsführer Permaplay sicher: „Dazu gehören neben aktuellen Produktbeschreibungen auch Kundenbewertungen, die Lieferung nach Hause und die 24-Stunden-Bestellbarkeit. POS-Medien bilden also die Brücke zwischen online und offline, zwischen Internet und Social Media einerseits und dem Look and Feel des echten Produktes inklusive der Kaufentscheidung andererseits.“ Diese Kombination aus beiden Welten zeigt sich beispielsweise bei Lift-and-Learn-Konzepten. Nimmt der Shopper ein Produkt in die Hand, präsentiert ein Bildschirm weitere Informationen. Auf diese Weise kann er sich spielerisch mit der Ware auseinandersetzen und in Interaktion treten. „Durch das Zusammenspiel von Ladeneinrichtungen, digitalen, interaktiven Elementen, Klang und Duft schafft der Verkaufsraum die Möglichkeit, die Ware mit allen Sinnen zu erleben“, weiß Schröder. Somit werden Shopper am POS unterhalten, die Verweildauer auf der Verkaufsfläche steigt und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass etwas gekauft wird.

Zudem kann auch der stationäre POS die große Auswahl bieten, die den Online-Handel so stark macht. Dahinter steht das Konzept endless aisle, erläutert Alexander Hahn, CSO und Mitglied der Geschäftsleitung, Pyramid Computer: „Digital-Sigange-Terminals erweitern die Verkaufsfläche und gewähren den Zugang zu Artikeln, die vor Ort out of stock sind oder aufgrund von Platzmangel nicht angeboten werden können.“ Shopper könen sich die Ware anschließend zum Anprobieren und Anschauen nach Hause oder in die Filiale schicken lassen – auch das eine Spielart des digitalen POS. 

Um nicht nur die Warenauswahl zu vergrößern, sondern auch das Kernsortiment zu erweitern, können digitale Lösungen als virtual shelf fungieren, skizziert Hahn: „Terminals können nach dem Cross-Selling-Ansatz branchenferne Artikel und Dienstleistungen anbieten. Dazu gehören  zum Beispiel eine SIM-Kartenausgabe, Ticketverkauf für regionale Veranstaltungen und personalisierte Geschenk- und Gutscheinkarten. So binden Händler Stammkunden und sprechen neue Zielgruppen an, was wiederum zu mehr Instore-Frequenz führt.“ 

Für komplexere Produkte kommen darüber hinaus digitale Konfiguratoren zum Einsatz, die über Touchsceen-Lösungen bedient werden können, so wir der stationäre POS zum digitalen POS. „Der Vorteil besteht darin, dass bei Fragen oder weitergehenden Informationen Ladenpersonal direkt zur Beratung bereit steht“, fügt Schröder hinzu. Um Wartezeiten am POS komfortabler zu gestalten, sind Real-Time Location Systeme zur Indoor-Lokalisierung im Trend. „Ein Terminal gibt BLE-Tag aus, durch das der Shopper auf der Fläche zu orten ist. Sobald er sich am Terminal eingeloggt hat, sieht der Verkaufsberater auf seinem Tablet Informationen im Kundenkonto (Omnichannel) und kann diese ins Gespräch einfließen lassen“, erklärt Hahn.

Ganzheitliche Customer Journey

Unabhängig davon, welche digitalen Konzepte am stationären POS Anwendung finden, kommt es auf eine Multichannelstrategie an. „Im Zuge einer konkreten Kaufentscheidung kann der Nutzer damit flexibel, geräte- und ortsunabhängig in seiner Session bleiben, die vor Ort beginnt. Sprich, dass er beispielsweise per QR-Code bisherige Informationen einfach auf seinem privaten Device mit nach Hause nehmen kann und letztendlich Zeit für die Kaufentscheidung hat“, führt Schröder aus. Demnach bedeutet die Verschmelzung zwischen online und offline auch, dass Shopper innerhalb der Customer Journey verschiedene Endgeräte nutzen können. Ansonsten läuft der stationäre Handel Gefahr, das Kauf- und Suchverhalten seiner Kunden zu verfehlen.

„Self-Service-Terminals erweitern die Verkaufsfläche und gewähren den Zugang zu Artikeln, die vor Ort out of stock sind oder aufgrund von Platzmangel nicht ange­bo­ten werden können.“

Alexander Hahn, CSO und Mitglied der Geschäftsleitung Pyramid Computer

Foto: Pyramid

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Mit Echtzeitdaten zum Kampagnenerfolg: Sensoren erfassen am POS datenschutzkonform Informationen zum Kaufverhalten, aus denen Händler Schlüsse ziehen können. Foto: xplace
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Digitaler Produktfinder: An einer Touchscreen-Stele können Shopper gezielt nach Produkten suchen und erhalten als Antwort deren Standort am POS. Foto: eKiosk

Relevanz schaffen

Um weiterhin für Shopper als stationärer POS relevant zu bleiben, kann sich der Vor-Ort-Einkauf noch weitere Stärken des Onlinehandels zunutze machen. Stichwort: Personalisierte Angebote, die im Web durch eingegebene Daten, einfach zu generieren sind. Aber auch im stationären Handel ist es möglich, Content zielgruppengerecht auszuspielen, um damit  auf bestimmte Vorlieben der Shopper zugeschnitten zu sein. „Inhalte können basierend auf verschiedenen Faktoren wie beispielsweise der Tageszeit, dem Verhalten des Kunden, Standort oder Wetter  entsprechend angepasst, vermittelt und aktualisiert werden. Damit hat der Content großes Potential, Kaufentscheidungen positiv zu beeinflussen“, bestätigt Frank Hagemann, CEO xplace. Denn sucht der Shopper den stationären POS auf, ist die Kaufbereitschaft hoch. „Die Technik hinter dem automatisiertem Ausspielen von situationsabhängigem Content ist Programmatic Advertising.Sie ist exakt auf die Bedürfnisse von Retailern ausgelegt und steuert Inhalte genau dort, wo sie den Kunden erreichen sollen“, fasst Hagemann zusammen.

„Inzwischen gibt es intelligente Anwendungen auf Basis von KI-Technologien, die Produktempfehlungen durch die Erkennung des Geschlechts, Alters oder von Emotionen geben können“, bestätigt Schröder. In diesem Kontext nehmen Sensoren nach wie vor einen hohen Stellenwert ein. „Informationen über Verhaltensmuster wie Verweildauer, Geschlecht und Laufwege können damit datenschutzkonform gewonnen und ausgewertet werden“, sagt Hagemann, und ergänzt: „Mit Hilfe der Klassifizierung nach beispielsweise männlich, weiblich, Stöberer oder entschlossener Kunde können produkt- und interessensspezifische Informationen ausgegeben werden, die ihn individuell beraten, Vertrauen aufbauen und zur Kaufentscheidung führen.“ Mit anderen Worten: Digitale Lösungen schaffen dank gewonnen Daten Relevanz und fördern gleichzeitig den Verkauf am digitalen POS. „Bietet der Retailer zusätzlich Loyalty Programme an, wie Kundenkarten, können neben Informationen über das Kaufverhalten der Kunden, die Wirksamkeit von Aktionen und Basisdaten für Kundenlaufstudien in Erfahrung gebracht werden“, schlägt Hagemann vor, und betont: „Gleichermaßen ergibt sich für den Shopper ein Mehrwert in Form von Vergünstigungen und interessensbasierter Produktinformationen.“

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Smartes Bestandsmanagement

Sensoren kommen jedoch nicht nur wie beschrieben für ein personalisiertes Einkaufserlebnis zum Einsatz. Auch im Bereich Warenbestand können sie Händler unterstützen. „Das Stichwort lautet smartes Bestandsmanagement im Regal. Dies bedeutet, Echtzeitdaten aus dem Regal zu erhalten und somit wichtige Erkenntnisse über den Erfolg einer Produktneueinführung, die Platzierung im Store oder den optimalen Nachverräumungszeitpunkt zu gewinnen“, erklärt Oliver Voßhenrich, CEO POS Tuning. Die Technologie dahinter, fasst der POS-Experte folgendermaßen zusammen: „Sogenannte Stock Beacons erfassen mit Laser Technologie Bestände und Warenbewegungen im Regal und senden die Daten in eine Service-Cloud. Dort bilden diese Werte die Basis für Leistungs- und Trend-Analysen. Durch automatisierte Bestellvorgänge können zudem Out-of-Stock-Situationen vermieden werden.“ Dabei sind die Sensoren unauffällig, da sie sich quasi in die Ladenausstattung einreihen. Beispielsweise erhalten Warenpusher so eine zusätzliche Funktion: „Vorschubsysteme präsentieren die Produkte immer an der Front und sorgen damit für ein ordentliches Erscheinungsbild. Sie sind aber auch gleichzeitig die Vehikel für die Sensoren, denn der Stock Beacon wird auf den Vorschub montiert. Somit kann der Sensor bei der Warenbewegung im Regal die Livedaten an die Cloud senden“, sagt Voßhenrich und resümiert: „Smarte Technologie im Regal liefert Informationen über Bestände, Abgänge, Tops und Flops und beschert dem Händler einen ganz neuen Wissensschatz.“

Weitere Trends

„Unsere Digital Signage Lösung Beeceen in Kombination mit der 3D Vision Sensorik berät zielgruppenspezifisch und führt durch Interaktion zur Kaufentscheidung.“

Frank Hagemann, CEO xplace

Foto: xplace

„Inzwischen gibt es intelligente Anwendungen auf Basis von KI-Technologien, die Produktempfehlungen durch die Erkennung des Geschlechts, Alters oder von Emotionen geben können.“

Uwe Schröder, Head of Sales and Marketing eKiosk

Foto: Tim Hufnagel

„Smarte Technologie im Regal liefert Informationen über Bestände, Abgänge, Tops und Flops und beschert dem Händler einen ganz neuen Wissensschatz.“

Oliver Voßhenrich, CEO POS Tuning

Foto: POS Tuning

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Um auch das Prinzip „große Auswahl, zu jeder Zeit“, das Shopper aus dem Online-Handel gewohnt sind, auch im stationären Handel zu gewährleisten, nehmen autonome Stores zu. Immer mehr Händler wie Edeka, tegut oder Würth experimentieren mit dem Format digitaler POS. Damit sind Kunden nicht mehr an klassische Öffnungszeiten gebunden, sondern können rund um die Uhr einkaufen. Um diesen Service zu leisten, sind digitale Lösungen nötig, die alle ausgewählten Produkte erfassen, die Bezahlung abwickeln, sowie Shopper ein- und auschecken. Auch in der Beratung ist es möglich, auf Personal zu verzichten. „Künftig werden manche Händler auf Avatare setzen, an die sich Shopper über Terminals wenden können. Auch Self-Checkout auf Basis von Objekterkennung gehört definitiv zu den aktuellen Trends im Handel. Die Voraussetzung für all diese Konzepte ist das nahtlose Zusammenspiel von Terminal-Hardware auf der Fläche sowie der Softwarelösung und Serverhardware im Backoffice“, weiß Hahn. 

Kommentar: Chance Digitalisierung

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Warenpusher und Warenbestandsaufnahme in einem: Stock Beacons im Warenvorschubsystem erfassen mit Laser Technologie Bestände und Warenbewegungen im Regal. Foto: POS Tuning

Da Shopper nicht nur vor Ort einkaufen, sondern auch online, sind ihre Erwartungen an den stationären POS gestiegen. Gleichzeitig sind sie besser denn je über Produkte informiert. Allein aus diesem Grund lohnt es sich, sich als Händler mit neuen digitalen Konzepten zu befassen. Auf jeder Retail-Technology-Messe wird man schnell feststellen: Lösungen gibt es unzählige auf dem Markt. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, sich für bestimmte Tools zu entscheiden. Denn ob interaktiver Spiegel, Produkt-Konfigurator oder Lift-and-Learn – die technische Ausstattung sollte zum jeweiligen POS, Produkt, zur Marke und Zielgruppe passen. Zudem sollte jeder das digitale System bedienen können – unabhängig davon, ob er als Digital Native mit der Technik aufgewachsen ist oder nicht. Fest steht: Die Lösungen sind nicht der Technik wegen am POS gefragt. Der Mehrwert muss immer im Mittelpunkt stehen. Ich jedenfalls nutze zum Beispiel gerne manchmal Self Scanner an der Kasse, um Zeit zu sparen und entspannt in den Feierabend zu starten.

digitale POS
Natalia Maucher, Stellvertretende Chefredakteurin display

Die technische Ausstattung sollte zum jeweiligen POS, Produkt, zur Marke und Zielgruppe passen.