Online-Shops erfassen alle Aktivitäten der Nutzer und geben daraufhin personalisierte Produktempfehlungen. Im Gegensatz dazu bleibt die Customer Journey im stationären Handel weniger durchschaubar. Wie können Instore Analytics dazu bei­tragen, dies zu ­ändern?

Ob Kundenströme, Laufwege oder Verweildauer der Shopper – unter anderem diese Daten können Analysetools am POS messen. Auf Basis dieser Informationen sind Händler im Stande, das Kundenverhalten besser zu verstehen und daraufhin ihre Verkaufsfläche zu optimieren, um das Einkaufserlebnis zu verbessern und den Abverkauf zu steigern. Welche technischen Lösungen helfen dabei? Und welche Daten geben konkret Aufschluss über die Attraktivität eines Verkaufsortes? Diese Fragen gehen Experten aus den Bereichen Instore Analytics und Marktforschung nach.

Vielfältige Möglichkeiten

Heute reichen Instore Analytics weit über die Gewinnung rein quantitativer Daten wie Besucherströme hinaus. Es können auch Informationen auf Mikroebene gesammelt werden, sodass Shopper einzeln erfasst werden können: Welche Person, welchen Geschlechts und welchen Alters hat meinen Markt betreten? Wie lange war sie vor Ort und mit welchen Produkten hat sie interagiert? Wenn man diese Daten in Zusammenhang setzt, können Händler Einblicke in das Kundenverhalten erhalten und Sortimentserfolge evaluieren. Dazu können beispielsweise Verweildauer und Laufwege zu Conversion-Raten und Warenkörben in Korrelation gesetzt werden. Insgesamt sind Marktbetreiber damit fähig, ihre Fläche kundenorientierter zu gestalten, bestätigt Stefan Busenius, Produktmanager Geck: „Mit Analyse-Systemen kann der Handel zielgruppenspezifische beziehungsweise auf eine einzelne Person zugeschnittene Maßnahmen einleiten, die Kaufanreize schaffen. Den Shopper als Individuum wahrzunehmen ist also entscheidend für langfristige Kundenzufriedenheit und mehr Effizienz in den Märkten.“

„Die Analyse von Frequenzdaten auf der Verkaufsfläche von Märkten und Läden kann dazu beitragen, die Personalplanung, beispielsweise bei wiederkehrenden Stoßzeiten, nachhaltig zu verbessern.“

Ralph Siegfried, Key Account Manager End Customers Axis

Foto: Axis

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Je nachdem, welche Ziele ein Händler mit Instore Analytics verfolgt, sind verschiedene Informationen von Interesse. Um diese Daten zu gewinnen, stehen unterschiedliche Technologien zur Auswahl.

WLAN und Beacons

Vor etwa sechs Jahren galten Beacons in Sachen Instore Analytics als vielversprechende Technologie. Kurzum: Die Beacons, verteilt auf der Verkaufsfläche, fungieren als Sender. Sie senden Signale aus, die von Shoppern mit aktivierter Bluetooth-Funktion empfangen werden. Via Push-Nachricht einer App kann gezielt Werbung ausgespielt werden. Allerdings hat sich die Technik kaum bewährt, vermutlich weil der Shopper extra eine App installieren und Bluetooth aktiviert haben muss. Folglich sind hier die Hürden zu groß, um es flächendeckend einsetzen zu können.

Auch sogenanntes WLAN Sniffing ist technisch zwar möglich, genießt aber aus Datenschutz-Gründen keinen guten Ruf in der Branche. Shopper, die mit aktivierter WLAN-Funktion ihres Smartphones einen POS betreten, werden durch ihre automatisierte Geräteerkennung (Mac-Adresse) per Sensor erfasst. So könnten Händler beispielsweise die Besucherfrequenz messen und entsprechend den Personaleinsatz planen. Jedoch bewegt sich der Einsatz von WLAN Sniffing zum einen datenschutzrechtlich im Graubereich und zum anderen muss jeder Besucher dafür sein WLAN aktiviert haben.

3D-Sensoren und Kameras

Geck, Hersteller von Lösungen für Shopfitting und Verkaufsförderung, hat auf der Euroshop einen 3D-Sensor vorgestellt, der an der Decke installiert wird. Er erfasst DSGVO-konform und präzise Bewegungsprofile und Verweildauer von Kunden. Um jedoch aus dem Rohmaterial Schlüsse ziehen zu können, bedarf es einer Analyse auf einer Plattform, sagt Busenius: „Auf einem Dashboard sehen Anwender die Auswertung von aktuellen oder auch historischen Daten.“

Axis Communications setzt auf KI-basierte Videoanalyse. „Diese kann dafür eingesetzt werden, Frequenzen am Eingang oder in Aktivierungszonen mit beworbenen Produkten zu erfassen. Die auf diese Weise gewonnenen Daten helfen wiederum dabei, die Attraktivität von Werbeaktionen in den verschiedenen Verkaufszonen zu überprüfen, regelmäßige A/B-Tests durchzuführen, um zu analysieren, an welchen Positionen sich Produkte im Laden besser verkaufen. Und um schließlich Warteschlagen an Bedien- und Kassenbereichen zu reduzieren“, berichtet Ralph Siegfried, Key Account Manager End Customers Axis.

Fest steht: Kameras und Sensoren haben den entscheidenden Vorteil, dass sie auf keine technischen Voraussetzungen der Shopper angewiesen sind – wie beispielsweise Apps. Auf diese Weise wird jeder Besucher ausnahmslos erfasst. Zudem sind Kunden aus Sicherheitsgründen und Diebstahlschutz bereits an Kameras gewöhnt.

Klassiker Kundenkarten

Instore Analytics– Daten als Schlüssel
Die Einkaufswägen sind mit der Geck Indoor Tracking- und -Navigations und Analytics-Lösung ausgestattet. Foto: Geck

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Im Gegensatz zu Beacons, WLAN Sniffing, 3D-Sensoren und Kameras gibt es noch ein bewährtes Tool, das der Shopper selbst in der Hand hält. Durch Kunden- beziehungsweise Loyalty-Karten lassen sich auch Daten sammeln. Unter anderem kann die Conversion Rate erfasst oder besonders beliebte, oft gekaufte Produkte können ermittelt werden. Der Vorteil: Auch der Shopper profitiert durch personalisierte Angebote und Rabatte. Allerdings muss er für eine Loyalty-Card Daten über sich preisgeben.

Flächeneffizienz steigern

Um den Umsatz eines POS verbessern zu können, lohnt es sich, zunächst zu analysieren, welche Zonen hohe Frequenzen aufweisen und welche nicht.

„Erhobene Daten helfen dabei, Verkaufsflächen zu identifizieren, die von den Shoppern kaum beachtet werden und infolgedessen aufgewertet werden müssen. Gleichzeitig können auch Zonen sehr hoher Attraktivität ermittelt werden, die häufig frequentiert werden, aber dennoch wenig Abverkauf haben“, sagt Siegfried und ergänzt: „In beiden Fällen können mithilfe generierter Daten wichtige Erkenntnisse in Bezug auf Produktangebot und Preisattraktivität gewonnen werden.“ Das heißt, dass Marktbetreiber viele Entscheidungen faktenbasiert treffen können – wie beispielsweise in Bezug auf Sortimente, Abteilungsstrukturen und Wegeführung.

Auch der Erfolg von Mehrfachplatzierungen im Markt und Produktneueinführungen lassen sich auswerten. Ein Beispiel: „Nudeln werden im Supermarkt nicht nur im Pasta-Regal, sondern oft auch bei Fertiggerichten platziert. Eine Videoanalyse mithilfe von Netzwerk-Kameras in den jeweiligen Regalgängen kann dabei unterstützen, zu erkennen, wo die Shopper häufiger zugreifen. Infolgedessen können Produkte gezielter platziert werden“, erklärt Siegfried.

Instore Analytics– Daten als Schlüssel
Heatmap als Teil der Analyse-Lösung von Geck: Die Daten werden aus den Laufwegen der einzelnen Personen gewonnen, die sich mit dem smarten Einkaufswagen durch den Laden bewegen. Foto: Geck

Eine weitere Möglichkeit, um die Verkaufsfläche zu optimieren, liefert Marktforschung. Dafür nutzt eye square ein neuro-semiotisches Modell. „Es erfasst die Wahrnehmung, das Implizite und das Explizite. Diese Daten werden mithilfe von Eye-Tracking-Brillen, Kameras und impliziertem Assoziationstest sowie explizit geäußerten Meinungen der Kunden erhoben“, erklärt Katharina Tanneberger, Principal Research Consultant Shopper Experience eye square. Als KPIs nutzt das Marktforschungsunternehmen Verweildauer, Reichweite, Zeit bis zur ersten Wahrnehmung, Implicit Brand- und Pack Image, Recall und Recognition. „So können Sortimente, POS-Marketing-Material, Verpackungen und Shop-Designs individuell gestaltet werden, um ein bestmögliches Einkaufserlebnis zu schaffen“, fasst Tanneberger zusammen. 

„Jeder Berührungspunkt der Shopper ist für den Erfolg des Standortes relevant und jeder Berührungspunkt hat das Potential, die Shopper Journey vor dem Kauf eines Produktes zu unterbrechen.“

Katharina Tanneberger, Principal Research Consultant Shopper Experience eye square

Foto: eye square

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Dass ein Sortiment an einem Standort funktioniert, zeige sich, wenn die Erfahrung der Shopper positiv ist. Betreten sie den Laden, verbringen sie dort gerne Zeit, welche Produkte nehmen sie wahr und sind sie mit der Beratung zufrieden? „Jeder Berührungspunkt der Shopper ist für den Erfolg des Standortes relevant und jeder Berührungspunkt hat das Potential, die Shopper Journey vor dem Kauf eines Produktes zu unterbrechen“, betont Tanneberger. Daher geben qualitative Daten tiefere Einblicke in das Shopperverhalten und geben ein umfassenderes Bild davon, was sich auf der Verkaufsfläche abspielt und wo Handlungsbedarf besteht.

Personalmangel im Handel

Aus verschiedenen Gründen stehen dem Handel auf der Verkaufsfläche immer weniger Mitarbeiter zur Verfügung. Umso mehr kommt es auf eine strategische Planung an, weiß Siegfried: „Abläufe müssen zwangsläufig mithilfe technischer Lösungen immer weiter optimiert werden. Die Analyse von Frequenzdaten auf der Verkaufsfläche von Märkten und Läden kann dazu beitragen, die Personalplanung, beispielsweise bei wiederkehrenden Stoßzeiten, nachhaltig zu verbessern.“ Dementsprechend kann die Wartezeit an Kassen reduziert werden, was die Kundenzufriedenheit steigert. Auch weitere Bereiche können davon profitieren. „Bedientheken können in Zeiten schwacher Frequenzen zum Beispiel in Selbstbedienungstheken umgewandelt werden. Das impliziert eine flexible Thekengestaltung, ist aber erst dann möglich, wenn entsprechende Daten über die Kundenfrequenz verfügbar sind“, sagt Siegfried. 

Natalia Maucher, Stellvertretende Chefredakteurin display

Kommentar

Kein Erkenntnisgewinn ohne Plan

Zwar stehen dem Handel viele Möglichkeiten für Instore Analytics zur Auswahl, jedoch scheinen sich viele Händler mit dem Thema schwer zu tun, beziehungsweise zu zögern. Denn natürlich sind Instore Analytics mit Kosten und Aufwand verbunden, auch Datenschutz spielt eine Rolle. Zudem ist eine ROI-Prognose kaum zu treffen. Fest steht:  Anwender müssen zunächst Ziele definieren, also: Welche Daten geben Aufschluss über welchen Sachverhalt? Welche Veränderungen möchte ich vornehmen? Geht es darum, die Warenpräsentation zu optimieren, ganze Ladenbau-Konzepte neu zu entwerfen oder lediglich darum, die Öffnungszeiten an die Frequenz anzupassen? Daraus abgeleitet kann die Wahl auf eine entsprechende Technologie fallen. Aber damit noch nicht genug: Daten nur zu erfassen ist nicht zielführend. Erst eine Auswertung dank Statistiken bringt Erkenntnisse.