Süßer die Glocken nie klingen…?

Weihnachtszeit – besinnliche Zeit. Doch für so manchen sind die Dezemberwochen in diesem Jahr keineswegs besinnlich oder geben Grund zur Freude. Wie eine Studie des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos zeigt, hat die Inflation dieses Jahr einen deutlichen Einfluss auf das Einkaufsverhalten der Deutschen. Steigende Preise, hohe Energiekosten und letztlich die vielen Sonderausgaben zum Ende des Jahres trüben die Vorfreude auf die schönste Zeit des Jahres. Drei von vier Befragten geben laut Ipsos an, dass sich die steigenden Kosten auf ihre Weihnachtseinkäufe und Feierlichkeiten auswirken werden, davon rechnet jeder Vierte sogar mit erheblichen Veränderungen beim eigenen Kaufverhalten.

Der Handel gibt sein Bestes, um dem entgegenzuwirken und rührt kräftig die Werbetrommel. Auch die fast schon zur Tradition gewordenen Weihnachtsvideos des LEHs sollen die Herzen der Shopper erweichen und für ein gutes Weihnachtsgeschäft sorgen. Aufsehen erregte in diesem Jahr vor allem die Weihnachtsbotschaft des Discounters Penny. Der Film „Der Riss“ hält der Bevölkerung einen Spiegel vor und macht auf eine drohende Spaltung der Gesellschaft aufmerksam, die auch auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre zurückzuführen ist. Mit diesem Video traf Penny einen Nerv, mehrere Millionen Klicks auf Youtube bestätigen dies. Doch während Penny auf ein sozialkritisches Thema gesetzt hat, setzen andere auf emotionale weihnachtliche Themen. Im Gespräch mit Yannick Urbitsch vom Lehrstuhl für Marketing & Business Development der Universität Hohenheim geht display der Frage nach, welche Ziele der LEH mit den Weihnachtsbotschaften verfolgt und welche Wirkung diese tatsächlich erzielen.

display: Herr Urbitsch, welchen Mehrwert bieten Weihnachtsvideos dem LEH?

Yannick Urbitsch: Lebensmitteleinzelhändler zielen bewusst darauf ab, das konsumentenseitig emotional aufgeladene Thema „Weihnachtszeit“ anzusprechen. Dabei soll das Kaufverhalten dahingehend beeinflusst werden, dass durch den emotionalen Stimulus, letzten Endes Konsumenten aktiviert und Markenbotschaften in deren Köpfen verankert werden. Auf der anderen Seite gelingt es Unternehmen mit Hilfe derartiger Werbespots im Internet viral zu gehen und deren Bekanntheit zu steigern. Das sehen wir aktuell auch an dem Video „Der Riss“ von Penny.

Yannick Urbitsch, Lehrstuhl für Marketing & Business Development, Universität Hohenheim. Foto: Uni Hohenheim

display: Seit wann existiert der Trend emotionale Weihnachtsbotschaften in Form von Videos zu lancieren?

Yannick Urbitsch: Emotionale Reize gehören seit langer Zeit zum klassischen Instrumentarium der Werbung. Dementsprechend sind auch Weihnachtsvideos im Lebensmitteleinzelhandel kein neuer Trend. Seit Jahren nutzen verschiedenste Unternehmen die Vorweihnachtszeit als Marketingplattform für sich aus.

display: Kann sich ein sozialkritisches Video wie „Der Riss“ von Penny positiv auf den Umsatz auswirken? Wo doch gerade in der Weihnachtszeit vor allem positive Stimmung am POS verbreitet werden soll.

Yannick Urbitsch: Ob ein direkter Effekt besteht, halte ich für mehr als fraglich, da auch keine Produkt- oder Preisplatzierungen vorgenommen werden. Viel wahrscheinlicher ist es, dass von der Werbebotschaft ein indirekter Effekt auf ökonomische Größen wie Umsatzzahlen ausgeht. Indem die Bekanntheit der Marke Penny, zumindest kurzfristig, steigt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Konsumenten die Marke am Point of Sale anderen Marken vorziehen.

display: Geht es bei den emotionalen Botschaften für den LEH auch um Image?

Yannick Urbitsch: Zunächst geht es um Aufmerksamkeit und Reichweite. Zum anderen steht der Versuch im Vordergrund, die eigene Marke mit entsprechenden Botschaften emotional „aufzuladen“. Es wird darauf abgezielt, die auf Seiten der Nachfrager vorhandenen Assoziationen mit der Marke zu beeinflussen und demnach Imageeffekte zu erzielen.

display: Wie passen die Weihnachtsvideos in die restliche Marketingstrategie?

Yannick Urbitsch: Gerade Discounter wie Penny oder Netto setzen zumal vor allem auf günstige Preise. Weihnachtsvideos stellen den gezielten Versuch von Unternehmen dar, den strategischen Fokus mehr auf die Beziehung zu den Konsumenten zu legen.

display: Vielen Dank für das Gespräch.