Wie verlässlich ist ein Siegel?

Ein Urteil lässt aufhorchen: WPR-Hersteller Werner & Mertz klagte gegen WPR-Hersteller Sonett und bekam vorerst Recht, obwohl Sonnet mit dem ClimatePartner-Siegel einen anerkannten Partner an seiner Seite wusste. Stellt sich die Frage, was ist ein Umweltsiegel wert? display sprach mit ClimatePartner und Werner & Mertz.

Wenn es um Umwelt- und Klimaschutz geht, versteht Wasch-, Putz- und Reinigungsmittelhersteller (WPR) Werner & Mertz keinen Spaß – die Flasche aus „Ocean Plastic“ lässt grüßen. Nun ist das Familienunternehmen Werner & Mertz gegen WPR-Hersteller Sonett gerichtlich vorgegangen. Dieser hatte mit dem ClimatePartner-Siegel „klimaneutral Unternehmen“ auf seiner Website geworben. ClimatePartner bietet noch ein zweites Siegel an, nämlich „klimaneutral Produkt“, das jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens war und unberührt bleibt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG Frankfurt) hat per Eilverfahren vom 10. November 2022 der Sonett die Werbung mit dem ClimatePartner-Siegel „klimaneutral Unternehmen“ in Deutschland untersagt. Damit gab das Gericht Werner & Mertz Recht, die diese Werbung angefochten hatte. Die Sonett hat das entsprechende Logo von der Website entfernt.
Damit könnte es gut sein, könnte man meinen. In einer Mitteilung vom 22. November 2022 von Werner & Mertz führt Werner & Mertz-Inhaber Reinhard Scheider aus: „Das Urteil stellt unserer Meinung nach einen Präzedenzfall dar für all jene Firmen, die mit der Aussage „klimaneutral Unternehmen“ werben oder zukünftig werben wollen.“

– Werner & Mertz erklärt dies wie folgt: –

„Das OLG Frankfurt hat in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren deutlich gemacht, dass es grundsätzlich unlauter ist, sich als „klimaneutral Unternehmen“ zu bezeichnen, wenn bei der Ermittlung des CO2-Fußabdruckes des Unternehmens Emissionen ausgeklammert wurden. Sonett hat in dem Verfahren eingeräumt, dass es nicht sämtliche Emissionen berücksichtigt hat. „Nach unserem Kenntnisstand ist die Ausklammerung von wesentlichen Emissionen bei Unternehmen, die mit der Aussage ‚klimaneutral‘ werben, weit verbreitet“, sagt Schneider. Die ClimatePartner GmbH setzt für die Vergabe des Siegels ‚klimaneutral Unternehmen‘ nicht voraus, dass alle vom Unternehmen verursachten Emissionen bei der Bilanzierung des CO2-Ausstoßes erfasst und ausgeglichen werden. Nach den sogenannten ‚Qualitätsrichtlinien‘ von ClimatePartner können die meisten Emissionen des sogenannten Scope 3, der insbesondere sämtliche Rohstoffe für die Produkte und deren Verpackungen sowie die gesamte Eingangs- und Ausgangslogistik umfasst – ausgeklammert werden. Nach diesen „Richtlinien“ können insgesamt 15 ‚Emissionsquellen‘ unberücksichtigt bleiben. „Für uns ist das ein klarer Fall eines Etikettenschwindels, da diese sehr wesentlichen Emissionsquellen einen ganz erheblichen Anteil des tatsächlichen CO2-Fußabdrucks ausmachen“, macht Schneider klar. Emissionen des Scope 3 nicht in eine Bilanzierung des eigenen CO2-Ausstoßes einzubeziehen, obwohl gerade dort die meisten Emissionen verursacht werden, birgt großes Irreführungspotenzial. So entsteht der Eindruck, dass ClimatePartner beziehungsweise die mit dem von ClimatePartner vergebenen Label willkürlich festlegen, welche Emissionen sie in ihrer Berechnung des CO2-Ausstoßes berücksichtigen und welche nicht. Tatsächlich bleibt die Betrachtung in aller Regel unvollständig, suggeriert wird jedoch eine komplette (noch dazu einfache) Lösung für ein komplexes Problem. „Das wäre dann der Gipfel des Greenwashings!“, erläutert Schneider“

– Ende der Erläuterung Werner & Mertz vom 22. November 2022 –

Damit stellt Werner & Mertz grundsätzlich die Glaubwürdigkeit des Siegels „klimafreundlich Unternehmen“ der ClimatePartner in Frage. Die Redaktion von display hat sich ebenfalls mit der Methodik des Siegels „Klimaneutral Unternehmen“ der ClimantePartner auseinandergesetzt (www.climatepartner.com/de/protocol). Und ja, 15 Emissionsquellen im Scope 3 – dem Unternehmen vor- und nachgelagerte Prozesse – werden zur Erfassung empfohlen und sind nicht verpflichtend.

Die Redaktion display hat daraufhin das Unternehmen ClimatePartner kontaktiert, die Vorwürfe von Werner & Mertz erläutert und um eine Stellungnahme gebeten.

–  Ein Sprecher von Climate Partner äußerte sich wie folgt: –

„ClimatePartner hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen im freiwilligen Klimaschutz zu unterstützen. Grundsätzlich gilt: Bei der Bilanzierung der verursachten CO2-Emissionen richten wir uns nach den gängigsten internationalen Standards, dem GHG Protocol (Greenhouse Gas Protocol) sowie nach den gängigen ISO-Normen (ISO 14064-1). Um dieses Vorgehen Kunden und Endverbrauchern transparent darzustellen, wird die Methode in unserem ClimatePartner Protocol im Detail erläutert (www.climatepartner.com/de/protocol). […] In der von Ihnen angesprochenen Entscheidung wurde durch das OLG Frankfurt […] kritisiert wurde lediglich, dass die Bemessungsgrundlage für den Begriff ‚Unternehmen‘ nicht auf den ersten Blick eindeutig sei. Um diese Bemessungsgrundlage den Verbrauchern weiter und deutlicher verständlich zu machen, schärfen wir hier künftig noch weiter nach und weisen die jeweils zugrunde gelegten Systemgrenzen künftig direkt auf der Startseite des ID-Trackings aus.“

– Ende der Äußerung ClimatePartner –

Ob andere Unternehmen, die mit dem ClimatePartner-Siegel „klimaneutral Unternehmen“ werben, wie es Sonett tat, und deswegen wettbewerbsrechtlich belangt werden, ist derzeit nicht bekannt. Ebenso unklar ist, ob ein Hauptsacheverfahren angestrengt wird, was zu einer höchstrichterlichen Entscheidung führen würde.