Oft bleiben nur wenige Sekunden Zeit, die Aufmerksamkeit der Shopper zu wecken. Ein im wahrsten Sinne des Wortes „sinnlicher“ POS macht den Einkauf zum Erlebnis. Multisensorische Reize vermitteln auf besondere Weise die Markenbotschaft und lassen Produkte nachhaltig wirken.

Das ist ein „Fest für die Sinne“ oder „Das weckt alle Sinne“ – es gibt viele Redewendungen in unserem alltäglichen Sprachgebrauch, die deutlich machen, welche Rolle das Zusammenspiel von haptischen, olfaktorischen oder auch auditiven Erfahrungen spielt. Auch im Marketing ist die Ansprache unserer Sinne ein wichtiger Faktor. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung ist es für den stationären Handel eine Chance, sein Potenzial diesbezüglich voll auszuschöpfen, um den Shoppern Erlebniswelten zu schaffen, die alle Sinne ansprechen und im Gedächtnis bleiben. Doch welche Möglichkeiten gibt es, Marken und Produkte zusätzlich über Akustik oder Haptik erfahrbar zu machen? Im Gespräch mit Marketingexperten ist display dieser und weiteren Fragen nachgegangen und hat sich auf die Suche nach dem sinnlichen POS gemacht.

„Digitale Tools schaffen Simulationen – Erlebniswelten hingegen erschafft man multisensorisch.“

Thomas Ebenfeld, Geschäftsführer concept m

Foto: concept m

„Duft wirkt besonders nachhaltig und kann als einziger Sinnesreiz nicht rational gefiltert werden. Er wirkt unmittelbar und rein emotional.“

Robert Müller-Grünow, Geschäftsführer ­Scentcommunication

Foto: Scentcommunication

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Vorteile des stationären POS

Viele Unternehmen wissen um die Vorzüge des multisensorischen Marketings und versuchen möglichst viele Sinne der Shopper anzusprechen, um sich und ihre Marke im Handel zu positionieren. So bleiben manche Werbejingles jahrelang im Gedächtnis und damit einhergehend das entsprechende Produkt. Riecht man einen bestimmten Geruch, denkt man prompt an den Lieblingskaugummi oder an eine bestimmte Süßigkeit. Man hat das Produkt vor Augen, riecht es, erinnert sich an den Geschmack. Um solche Emotionen beim Shopper auszulösen, bedarf es einer gelungenen Markenkommunikation, die mehr als nur einen Sinn anspricht. Untersuchungen haben gezeigt, dass Marke und Produkt intensiver im Gedächtnis bleiben, wenn nicht nur der visuelle Sinn angesprochen wird, sondern auch Töne, Düfte oder Bewegung zum Einsatz kommen. „Wir erleben in dieser beschleunigten Zeit in vielen Bereichen einen Verlust an ‚Sinnlichkeit‘. Nicht unbedingt an visueller – aber in Bezug auf die übrigen Sinne. Zunehmend abstrakte Kaufprozesse, gerade im Onlinehandel, werden zwar mit AR-Technologie oder anderen digitalen Tools behandelt, können aber häufig das sinnliche ‚be-greifen‘ nicht ersetzen“, erklärt Thomas Ebenfeld, Geschäftsführer der Global Research Boutique concept m. Als Experte auf dem Gebiet tiefenpsychologischer Marketingforschung berät Thomas Ebenfeld mit seinem Unternehmen unterschiedliche Branchen in über 40 Ländern hinsichtlich gesellschaftlicher Strömungen und Trendthemen. Die Möglichkeit viele Sinne anzusprechen, sieht Ebenfeld als besonderen Vorteil des stationären Handels. „Multisensorisches Erleben schafft über die verschiedenen Sinne mehr Möglichkeiten des Involvements. Man kann anfassen, riechen oder hören. Das bedient die Sehnsucht nach Echtem, was wiederum zu einem guten Markenimage und einer besseren Markenbindung führen kann. Digitale Tools schaffen Simulationen – Erlebniswelten hingegen erschafft man multisensorisch“, führt Ebenfeld weiter aus.

Wichtig scheint vor allem das Zusammenspiel verschiedener Sinnesreize zu sein, wie auch Jessica Reinbold, Managing Partner von der Agentur Reinboldrost zu berichten weiß: „Der Effekt der Multisensorik auf die Markenbildung ist immens. Denken wir nur an die Automobilbranche: Ein satter Motorensound, aufregende Lacke und handschuhweiche Ledersitze tragen erheblich zu einem einzigartigen und einprägsamen Markenerlebnis bei – und selbst am Neuwagenduft arbeiten Designer. Das ist im Bereich der FMCG nicht anders: Unsere Brand Development Unit denkt daher die unterschiedlichen Sinne immer von Anfang an mit.“

Duft liegt in der Luft

Während Haptik und auditive Eindrücke sich am POS schon etabliert haben, werden andere Sinne weniger stimuliert. Dabei ist kaum ein anderer Sinneseindruck so emotional aufgeladen wie Geruch. Düfte haben starken Einfluss auf die Stimmung der Shopper und deren Wahrnehmung. „Duft wirkt besonders nachhaltig und kann als einziger Sinnesreiz nicht rational gefiltert werden. Er wirkt unmittelbar und rein emotional und hat somit immer einen Einfluss auf unser Befinden und unsere Entscheidungen“, erklärt Robert Müller-Grünow, Geschäftsführer Scentcommunication. Mit seinem Unternehmen hat er sich auf Duftmarketing spezialisiert und entwickelt Duftkonzepte, High-Tech Dufttechnologien, Duftspeichermedien sowie Düfte und Systeme für Marken. In seinem Buch „Die geheime Macht der Düfte“ beschreibt Müller-Grünow, welchen Einfluss Düfte auf unser Handeln haben. Insbesondere dem unbewussten Reiz kommt hierbei eine große Rolle zu. „In einem Flagship Store in New York konnte man den Dufteinsatz in Zonen steuern und anschließend messen, wie die Bewegung der Shopper durch gezielte Beduftung verändert werden konnte. Auch die Aufenthaltsdauer und die Beschäftigung mit den Produkten sowie der Abverkauf wurden positiv beeinflusst“, berichtet Müller-Grünow. Darüber hinaus beschreibt der Experte für Duftmarketing weitere Wirkungsebenen von olfaktorischen Reizen: „Während manche Düfte attraktivitätssteigernd wirken und die Pheromonrezeptoren ansprechen, aktivieren andere Neurotransmitter und wirken beruhigend, lassen uns sogar Wärme und Kälte spüren oder machen uns aufmerksamer.“

Einfluss von Gerüchen: Für die Telekom setzte Scentcommunication einen Duft ein, der die Aufmerksamkeit der Kunden erhöhte. Foto: Scentcommunication

Wir sind multisensorische Wesen. Ein Erlebnis bleibt uns umso einprägsamer und damit nachhaltiger im Gedächtnis, je mehr Sinne stimuliert werden."

Jessica Reinbold, Managing Partner Reinboldrost

Foto: Reinboldrost

„Selbst wenn eine Bewegung nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen wird, erregt sie die Aufmerksamkeit der Shopper.“

Thomas Bauer, Geschäftsführer MTE Bewegungstechnik

Foto: MTE

Bewegung am POS

Wird der Geruchssinn hauptsächlich dezent angesprochen, werden visuelle Reize am POS aufmerksamkeitsstark gesetzt, um das Interesse der Shopper zu erregen. Dies kann etwa mit auffällig gestalteten Verpackungen oder Displays erreicht werden, ebenso aber mit verschiedenen Bewegungselementen. „Das drehende Apfeldisplay in der Obsttheke sieht der Shopper schon von Weitem. Und selbst wenn eine Bewegung nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen wird, erregt sie Aufmerksamkeit und man ist automatisch dazu gezwungen, dort hinzusehen“, erklärt Thomas Bauer, Geschäftsführer MTE Bewegungstechnik. Mit seinem Unternehmen hat er sich unter anderem auf Bewegungsantriebe für Displays spezialisiert. Möglichkeiten Bewegung an den POS zu bringen, gibt es viele. „Fotoelektronische Sensoren können Effekte durch Bewegung auslösen. Es gibt mechanische Taster, wie den typischen großen Pilzkopf, der durch aktive Betätigung etwas in Bewegung setzen kann. Aber auch magnetische oder induktive Sensoren, an einem Display angebracht oder in der Verpackung verbaut, sind Möglichkeiten, Bewegungselemente in Gang zu setzen“, berichtet Bauer. Mittels mechanischer Bewegungstechniken könne vielfältige multisensorische Erlebnisse geschaffen werden. „Mit Hilfe genannter Sensoren können Displays ebenso zum Leuchten oder ‚Sprechen‘ gebracht werden. Eine Aufforderung etwas zu drücken oder in die Hand zu nehmen, kann eine Interaktion auslösen, somit werden gleich mehrere Sinne angesprochen“, so Bauer.

Alle fünf Sinne: Auf der Road­show von Coffee B spielt auch die Haptik eine große Rolle. Die Kunden überzeugen sich von dem angenehmen Handgefühl der Coffee Balls und zerbröseln sie nach Gebrauch selbst, um ein Gefühl für die Kompostierung zu bekommen. Foto: Reinboldrost

Die Sinne spielen eine entscheidende Rolle bei der Kaufentscheidung, sie beeinflussen das Erlebnis und die Wahrnehmung eines Produktes oder einer Marke maßgeblich. „Der Kunde befühlt Ware, riecht am Obst und öffnet Pflegeprodukte im Drogeriemarkt. Aus unseren Forschungen wissen wir, dass selbst Lippenstifte heimlich ausprobiert werden, allen Hygiene-Bedenken zum Trotz“, führt Ebenfeld aus. Der Shopper verlangt geradezu nach multisensorischen Erlebnissen, sind diese nicht vorhanden schafft er sie sich eben selbst. „Wir sind multisensorische Wesen. Ein Erlebnis bleibt uns umso einprägsamer und damit nachhaltiger im Gedächtnis, je mehr Sinne stimuliert werden. Durch die Verbindung von verschiedenen Sinnesreizen kann eine Marke eine einheitliche Botschaft vermitteln, eine starke Assoziation mit ihren Werten und Produkten herstellen und prägnante Differenzierungsmerkmale erzeugen“, so Reinbold abschließend.