Hoher Wettbewerbsdruck, steigende Online-Umsätze und gesunkene Kauflaune – Händler werden derzeit stark herausgefordert. Um Shopper auf die Verkaufsfläche zu locken, sind neue Erlebnisse gefragt. Wie Visual Merchandising und Dekoration entscheidend dazu beiträgt.

Vom Verkaufsort zur Bühne für Marken- und Produkt­inszenierung: So könnte man die veränderte Rolle des stationären POS beschreiben. Waren Läden lange Zeit der einzige Kontaktpunkt zwischen Produkt und Shopper, sind heute weitere Touchpoints wie Online-Shops und Social-Media-Kanäle hinzugekommen. „Angesichts der wachsenden Digital-Konkurrenz muss der stationäre Handel seine Position sichern und ausbauen. Daraus resultiert die Herausforderung für unsere Branche, Themen wie Glaubwürdigkeit und Authentizität am POS erlebbar zu machen“, meint Klaus Lach, geschäftsführender Gesellschafter OWD. Folglich geht es nicht mehr nur ums reine Verkaufen, sondern darum, Shoppingerlebnisse zu schaffen und Kunden vor Ort in eine Markenwelt eintauchen zu lassen. Dafür gewinnt das Visual Merchandising als nonverbale Verkaufsförderung an Bedeutung. Ähnlich wie auf einer Bühne wirkt die ausgestellte Ware erst in einem gut gestalteten Szenenbild – und kann entsprechend performen. Denn die Aufgabe von Visual Merchandising mit passender Dekoration ist es, die Kundschaft durch den ersten Kontakt am Schaufenster in den Verkaufsraum zu locken und durch eine optimale Warenpräsentation zum Kauf anzuregen. „Man braucht visuelle Geschichten, weil sie einen hohen Erinnerungswert haben und im Gedächtnis verankert bleiben. Ein optimiertes Design überrascht und transportiert die Werte einer Marke“, erklärt Sabine Rohlederer, Branch Manager Authentica Deutschland. Wie gelingt es, durch visuelle Reize die Blicke des Shoppers auf sich zu ziehen, ihn zu involvieren und in Kauflaune zu versetzen? Antworten darauf liefern Expertinnen und Experten aus den Bereichen Visuelles Marketing, Verkaufsförderung und der Druckbranche.

Visual Merchandising und Dekoration in der Praxis
Auf der diesjährigen Fespa in München hat Canon gezeigt, wie sich mit Druck ganze Erlebniswelten am POS umsetzen lassen. Foto: Canon

„Einkaufen in Bildern bedeutet, Shoppern immer wieder neue Anlässe und Inspirationen zu liefern. Denn mehr als der reine Kauf zählt heute das Erlebnis, wozu Visual Merchandising einen wichtigen Beitrag leistet.“

Claudia Horbert, Leiterin des Forschungsbereichs Ladenplanung und Einrichtung EHI

Foto: EHI

„Das haptische Erleben und persönliche Gefühlswelten sind die Stärken des stationären Handels. Dafür reicht einfache Warenpräsentation alleine nicht aus. Visual Merchandising braucht eine visuelle Story und liebevolle Details.“

Sabine Rohlederer, Branch Manager Authentica Deutschland

Foto: Authentica

Ziele von Visual Merchandising

Als stiller Verkäufer gewinnt Visual Merchandising sowie gut inszenierte Dekoration die Aufmerksamkeit der Shopper und liefert Verkaufsargumente, ohne auf Personal angewiesen zu sein. „Dreidimensionale Erlebniswelten gibt es nur in den Geschäften. Das haptische Erleben und persönliche Gefühlswelten sind die Stärken des stationären Handels. Dafür reicht einfache Warenpräsentation alleine nicht aus. Visual Merchandising braucht eine visuelle Story und liebevolle Details“, weiß Rohlederer. Dafür schreibt das Visual Merchandising sozusagen das Drehbuch und tritt in den Dialog mit den Betrachtern. „Um seine Zielgruppe anzusprechen, orientiert sich das Visual Merchandising an ihrer Lebenswelt. Werden Produkte in einem bestimmten Kontext präsentiert, erzielt die Wareninszenierung zunächst Relevanz und im besten Fall weckt sie einen Bedarf“, meint Christoph Stelzer, Managing Director DFROST-Retail Identity. Im Modehandel kann beispielsweise ein komplettes Outfit ausgestellt werden, um Shoppern zu zeigen, wie sich ihr neues Fashion Piece kombinieren lässt. Ein saisonaler Bezug, wie ein Herbstspaziergang, gibt der ganzen Installation einen gestalterischen Rahmen. Auf diese Weise entsteht eine Kulisse, die die Produkte sozusagen zum Leben erweckt. „Einkaufen in Bildern bedeutet, Shoppern immer wieder neue Anlässe und Inspirationen zu liefern. Denn mehr als der reine Kauf zählt heute das Erlebnis, wozu Visual Merchandising einen wichtigen Beitrag leistet“, fasst Claudia Horbert, Leiterin des Forschungsbereichs Ladenplanung und Einrichtung EHI, ihr Ansicht hinsichtlich Visual Merchandising und Dekoration zusammen.

- Anzeige -

Beispiel für Visual Merchandising und Dekoration.
Verschneite Tannen, schwebende Gondelkabinen und Ski– Visual Merchandising kann einen saisonalen Rahmen schaffen, der einen Kontext zu Produkten herstellt. Foto: Deco Woerner

Kuratierter Auftritt

Jedoch dreht sich beim Visual Merchandising und dem Einsatz von Dekoration nicht alles nur um Storytelling, sondern auch darum, seine Kompetenz als Händler zu demonstrieren. „Es geht darum, eine kuratierte Lifestyle-Welt zu schaffen, mit der sich Shopper identifizieren und den Wunsch haben, Teil dieser Community zu sein. Auf diese Weise gelingt es, die Warenkompetenz des Händlers unter Beweis zu stellen“, meint Stelzer. Folglich gibt das Visual Merchandising, angefangen in der Schaufenstergestaltung, den Shoppern Orientierung und stellt den USP heraus, um sich von der Masse abzuheben. „Haltung im Schaufenster kommt an. Man sollte sich in seiner Rolle und seines Mehrwerts für Shopper im Handelsgefüge bewusst werden und sich entsprechend als Spezialist profilieren“, ist sich Stelzer sicher.

Klare Botschaft – roter Faden

Darüber hinaus sprechen sich Expertinnen und Experten immer wieder für eindeutige Aussagen aus, die Visual Merchandising vermitteln sollen. Denn überfrachtete Gestaltungen mit zu viel Dekoration können von der Ware ablenken und Shopper überfordern. „Eine klare Botschaft muss zu erkennen sein – sowohl im Schaufenster als auch in der Innenraumgestaltung“, sagt Adela Baffa, Leiterin der Abteilung für Visuelles Marketing Modehaus Leffers. Erst dann fühlen sich Shopper angesprochen. „Gerade im Schaufenster sollte man auf einen Call-to-Action setzen verbunden mit einer Aufforderung beziehungsweise Einladung, den Laden zu betreten“, rät Stelzer. Da Händler hier etwas versprechen, muss dies auch auf der Verkaufsfläche eingelöst werden. „Beispielsweise kann in der Landing-Zone direkt am Eingang ein Thema aus dem Schaufenster aufgegriffen werden. Auch Rückwände, Highlight-Zonen geben Raum, die Kampagne zu präsentieren. So können Anreize bis ins After-Sales geschaffen werden“, sagt Stelzer. Auf diese Weise bewirkt die Inszenierung einen konsistenten Auftritt, der Kunden an verschiedenen Stellen am POS immer wieder animiert, erläutert Baffa: „Bei professionellem Visual Merchandising erkennt man einen roten Faden. So kann das Konzept helfen, den Shopper entlang der Customer Journey zu begleiten.“

Aufs Neue überraschen

Um Shopper immer wieder neue Inspiration zu geben, aktualisieren Händler in regelmäßigen Abständen ihr Visual-Merchandising-Konzept. „Da sich Produkt- und Kollektionswechsel immer schneller vollziehen, muss die Schaufensterdekoration diesem Rhythmus folgen. Eine Grundregel besagt, dass sie etwa alle zwei Wochen zu erneuern ist, damit die Werbewirksamkeit bei Passanten konstant bleibt“, weiß Lach.

„Mit Druck können am POS komplette Erlebniswelten geschaffen werden, die eine hohe visuelle Anziehungskraft auf potenzielle Besucher haben.“

Stefanie Schumann, EMEA Product Manager Large Format Graphics Canon

Foto: Canon

"In bodentiefen Schaufenstern sorgt unser System EasyCubes dafür, dass Produkte auf Augenhöhe präsentiert werden können und so die Aufmerksamkeit der Kunden wecken."

Joachim Ostendorf, Geschäftsführer VKF Renzel

Foto: VKF Renzel

„Visual Merchandising kreiert eine kuratierte Lifestyle-Welt, um Relevanz bei der Zielgruppe zu schaffen. Optimalerweise können sich Shopper damit identifizieren und haben den Wunsch, Teil dieser Community zu sein.“

Christoph Stelzer, Managing Director DFROST-Retail Identity

Foto: dfrost-Retail Indetity

Auch durch das Internet sind Shopper eine gewisse Dynamik gewohnt. „Die Schnelllebigkeit der sozialen Medien führt zu einer weiteren Beschleunigung der Inszenierung im Store und Schaufenster“, sagt Horbert. Allerdings richtet sich der Gestaltungszyklus auch nach dem Standort des Geschäfts. „Je häufiger und je mehr Passanten am Schaufenster vorbeigehen, desto öfter sollte das Leistungsangebot im Schaufenster wechseln. Entsprechend schnell muss die Darbietung an zentralen Plätzen wie 1A-Lagen der Innenstädte oder in Einkaufszentren angepasst werden“, empfiehlt Lach. Darüber hinaus haben auch Saisonwechsel Einfluss auf das Visual Merchandising – gerade in der Textilbranche. „Jahreszeiten und anstehende Festlichkeiten wie Weihnachten geben häufig den Rahmen vor“, meint Lach.

- Anzeige -

Nachhaltiger Auftritt

Auch wenn sich das Visual Merchandising immer wieder im neuen Look zeigt, um aktuell zu bleiben, ist der Faktor Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. „Der Trend geht immer mehr zu von Jahreszeiten unabhängigen, relativ neutralen Dekorationen, die über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden können“, stellt Markus Wurm, Key Account Manager Deco Woerner, fest. So kann etwa aus einer Weihnachts-Installation mit passender Dekoration schnell ein winterlicher Auftritt geschaffen werden, beispielsweise mit einer Winterlandschaft ohne festliche Elemente. Zudem zählt der Einsatz von recyclebaren Materialien, betont Rohlededer: „Wir ermutigen unsere Kunden auch dazu, Papier, Pappe, Bambus, wasserstoffbasierende Farben oder recyclebare Kunststoffe einzusetzen. Auch Monomaterial ist in diesem Zusammenhang ein Thema, also wegzukommen von Mix and Match.“ Passend dazu hat VKF Renzel die Easy Cubes ins Sortiment aufgenommen. Das flexible, langlebige System, das modular einsetzbar ist, basiert auf den drei Einzelteilen Floor, Cube und Cover. Diese können immer wieder neu kombiniert werden, wodurch jedes Mal ein anderes Bild entsteht. „In bodentiefen Schaufenstern sorgt unser System EasyCubes dafür, dass Produkte auf Augenhöhe präsentiert werden können und so die Aufmerksamkeit der Kunden wecken. In Kombination mit einem Banner, einer Leuchtwand oder Rahmenabhängung im Hintergrund können ganze Themenwelten im Schaufenster geschaffen werden“, beschreibt Joachim Ostendorf, Geschäftsführer VKF Renzel. Auch im Verkaufsraum können die EasyCubes zu Inseln arrangiert werden, die Aktionsware, Neuheiten oder sonstige Highlights in Szene setzen. 

„Professionelles Visual Merchandising zeichnet sich durch kurative und ansprechende Gestaltung aus, die die Zielgruppe anspricht und inspiriert.“

Adela Baffa, Leiterin der Abteilung für Visuelles Marketing Modehaus Leffers

Foto: Leffers GmbH

„Da sich Produkt- und Kollektionswechsel immer schneller vollziehen, muss die Schaufensterdekoration diesem Rhythmus folgen.“

Klaus Lach, Geschäftsführender Gesellschafter OWD Agentur für visuelles Marketing

Foto: owd

Erlebniswelten dank Druck

Auf der Fespa in München hat sich der Canon-Stand im Look einer Einzelhandelsumgebung gezeigt. Zu sehen waren klassische Poster, Deckenhänger, Regalschilder, Floorgraphics, Window Graphics, dekorative Tapeten, Themenbeklebungen und einiges mehr. „Mit Digitaldruck können am POS komplette Erlebniswelten geschaffen werden, die eine hohe Anziehungskraft auf potentielle Besucher haben. Dafür spielt das Interior Design eine große Rolle und wirkt als stiller Verkäufer“, erklärt Stefanie Schumann, EMEA Product Manager Large Format Graphics Canon, das Konzept. Nach ihrer Einschätzung liegen beispielsweise die Kombination aus Matt- und Glanzdruck, Applikationen mit Gold oder fluoreszierendem Pink im Trend. Auch angesagt sind Windowgraphics mit Weißdruck, der beidseitiges Bedrucken ermöglicht. „Allerdings gilt: Wie bei anderen Marketingmaßnahmen kommt es bei der Gestaltung stark darauf an, den Nerv der Zielgruppe zu treffen. Außerdem zählt die Langlebigkeit der Anwendungen. Denn die Anziehungskraft der POS-Dekoration leidet, wenn nicht hochwertig und langlebig produziert wurde.“

Mal blau machen: Die Insel-Inszenierung zeigt verschiedene Outfits mit blauen Kleidungsstücken und dazu passende Accessoires wie Handtaschen, Schuhe und Mützen. Foto: Modehaus Leffers Oldenburg