Ein Jahr lang kündigte Rewe die Einstellung seiner Print­prospekte an. Seit drei Monaten setzt das Unternehmen nun hauptsächlich auf digitale Angebotskommunikation. Wie sieht die Kundenkommunikation der Zukunft aus und was braucht es, um die Shopper-Bedürnisse zu erfüllen?

Mit Pauken und Trompeten hat sich Rewe im Juli von seinen Printprospekten verabschiedet. Zumindest wurde wenigen Themen in den vergangenen Monaten so viel Aufmerksamkeit in der Branche zuteil wie dieser weitreichenden Entscheidung des Lebensmitteleinzelhändlers. Die Meinungen zur Digitalisierung von Handzetteln gingen dabei weit auseinander. Während manch einer große Umsatzeinbußen voraussagte, applaudierten andere dieser längst schon überfälligen Entscheidung. Jahrelang waren die Print-Prospekte ein fester Bestandteil des Rewe-Marketings. Wöchentlich in den Briefkästen der Kunden, boten sie eine praktische Übersicht über aktuelle Angebote des Lebensmitteleinzelhändlers. Zuletzt druckte und verteilte Rewe wöchentlich nach eigenen Angaben etwa 25 Millionen Prospekte. Aus Umwelt- und Klimaschutzgründen entschied sich Rewe laut eigenen Angaben auf die gedruckten Wochenangebote zu verzichten, um damit jährlich mehr als 73.000 Tonnen Papier, 70.000 Tonnen CO2, 1,1 Millionen Tonnen Wasser und 380 Millionen Kilowattstunden Energie einzusparen. Vermutlich spielten jedoch auch die steigenden Kosten für Papier und Energie eine nicht zu vernachlässigende Rolle.

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Alle Kanäle bespielen

Bevor es zu dieser nachhaltigen Entscheidung kam, führte Rewe Tests durch, um die Reaktion der Kunden besser hervorsehen zu können. Seit nunmehr drei Monaten gibt es alle Rewe-Angebote nur noch digital. In der Rewe-App, bei Whatsapp, im Rewe-Newsletter, auf der Website und direkt am POS können die Shopper sich über aktuelle Angebote informieren und auf Schnäppchenjagd gehen. Bis vor Kurzem machte ein TV-Spot auf die Vorteile vor allem in Sachen Nachhaltigkeit aufmerksam und zeigte, wie das digitale Sparen bei Rewe funktioniert. Noch bis Ende des Jahres macht der Lebensmitteleinzelhändler zudem auf digitalen Handzettelportalen, in Tageszeitungen, Radio und TV auf die wöchentlichen etwa 200 Angebote aufmerksam. Dies sind auch die Kanäle, in die das frei gewordene Budget zumindest bisher noch fließt.

Angebote per App: Mit Flyern, in Tageszeitungen, Radio und TV bereitete Rewe seine Kunden auf die Einstellung der Printprospekte vor. Foto: display Verlag

Digitale Kundenkommunikation

Doch was erwarten die Shopper von Apps und Co.? Was müssen Rewe und Konsorten beachten, um alle Kunden zu erreichen? Apps können grundsätzlich Prospekte ersetzen, so wird das Düsseldorfer Marktforschungsunternehmen innofact in der Lebensmittelzeitung zitiert. Allerdings müsse die Kommunikation ausgebaut werden, damit die Apps in der Breite genutzt werden. Und genau dies sieht Thilo Reichert, Chief Growth Officer von snoopstar kritisch: „Die Händler erhoffen sich neben geringeren Kosten für Produktion und Logistik mehr Interaktivität und Messbarkeit. Allerdings erreichen digitale Prospekte nachweislich nicht alle Zielgruppen und haben nicht den gleichen Effekt wie die immer noch sehr beliebten gedruckten Prospekte.“ Laut Lebensmittelzeitung hat die innofact-Studie ergeben, dass vor allem die 30- bis 49-Jährigen Angebote-Apps nutzen. Dies sei die Zielgruppe, die schon an die Digitalisierung gewöhnt sei und bei der die Umstellung auf digitale Handzettel kaum problematisch verliefe. Die junge Generation nutze die Angebote-Apps der Lebensmittelhändler eher seltener. Ältere Generationen werden per App kaum oder gar nicht angesprochen. Und wie eine Studie des Forschungsinstituts IFH Media Analytics in Zusammenarbeit mit der Kommunikationsagentur Media Central kürzlich zeigte, kann ein nicht zu vernachlässigender Teil der Shopper nicht auf Angebotsblättchen verzichten und sei seit der Einstellung des Rewe-Prospektes dazu übergegangen, die Prospekte der Konkurrenz zu lesen.
„Die Frage sollte nicht lauten: Print oder Digital. Die Antwort muss Print und Digital sein“, bekräftigt Reichert. Das Unternehmen snoopstar hat sich auf Augmented-Reality-Technologie für Marken spezialisiert. „Wir verbinden die gedruckte und analoge Welt mit der erweiterten, digitalen Welt und machen aus jedem Printprodukt ein interaktives Erlebnis“, berichtet Reichert weiter. Er ist sich sicher, dass die Digitalisierung der richtige Weg sei, allerdings nur in Verbindung mit Print-Prospekten, um keine der Zielgruppen zurückzulassen. Vielmehr gehe es darum, den Shopper durch digitalen Mehrwert bei der Einkaufsplanung zu unterstützen.

„Die Frage sollte nicht lauten: Print oder Digital. Die Antwort muss Print und Digital sein.“

Thilo Reichert, Chief Growth Officer snoopstar

Foto: snoopstar

Passgenaue Angebotskommunikation

Bei aller Kritik, was die Zielgruppenansprache betrifft, haben die digitalen Handzettel den Printprospekten eines voraus: Die Angebote können auf die jeweilige Zielgruppe passgenau ausgerichtet werden. Davon ist auch Rewe überzeugt, denn die Zukunft der Kundeninformation liegt für den Lebensmitteleinzelhändler ganz klar in der digitalen Welt.

Die zunehmende Digitalisierung böte mehr Möglichkeiten, Werbung effizient und ressourcensparsamer zu platzieren, erklärt Rewe. Dies ist vor allem interessant, da an verschiedenen Standorten oft auch unterschiedliche Shopperbedürfnisse herrschen. Auch die Vermarktung regionaler Produkte wird erleichtert, denn die einzelnen Filialen können per App zielgerichtete Angebote veröffentlichen und ihre Kunden damit direkt ansprechen. Und dies innerhalb kürzester Zeit. Ob Print oder Digital, der Königsweg mag vielleicht noch nicht für jeden gefunden sein. Aber eines steht fest, in Zeiten, in denen die Digitalisierung praktisch alle Lebensbereiche erreicht hat, können und sollten Marken und Händler sich dem nicht verschließen. Vielleicht ist zunächst eine Kombination aus Printprospekten und digitalen Angeboten wie etwa Lidl sie seit längerem praktiziert, eine gute Lösung. Zumindest so lange noch nicht alle Bevölkerungsgruppen digitale Kommunikation nutzen. Dass sich dies jedoch in Zukunft ändern wird, davon ist auszugehen.

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Digitaler POS

Die Digitalisierung betrifft noch viele weitere Bereiche am POS. Björn Hoffmeyer, CCO des Payment Providers Payone, erläutert im Gespräch mit display wo er den digitalen POS der Zukunft sieht.
display: Herr Hoffmeyer, Ihr Unternehmen hat eine Verbraucherstudie in Deutschland und Österreich über Zahlgewohnheiten und die Erwartungen der Shopper an Bezahlmöglichkeiten am stationären POS durchgeführt. Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

"Könnten sie den Bezahlvorgang der Zukunft gestalten, wünschen sich die Verbraucher dessen deutliche Beschleunigung."

Björn Hoffmeyer, CCO Payone

Foto: Payone

Björn Hoffmeyer: Im Großen und Ganzen kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass am Ende niemand gerne bezahlt. Aber wenn es schon sein muss, dann sollte dies gänzlich im Hintergrund stattfinden, um das pure Einkaufserlebnis nicht zu beeinträchtigen.
display: Wie kann dies aussehen?
Björn Hoffmeyer: Könnten sie den Bezahlvorgang der Zukunft gestalten, wünschen sich die Verbraucher dessen deutliche Beschleunigung. Im Idealfall könnte dies beispielweise durch ein automatisches Bezahlen vor Verlassen des Geschäfts geschehen beispielweise via in einer App hinterlegtem Zahlungsmittel. Auch die Erkennung der eigenen Person über biometrische Verfahren wie Gesichtserkennung oder Fingerabdruck sind denkbar. 31 Prozent unserer deutschen Studienteilnehmer könnten sich dies vorstellen.
display: Inwiefern wird sich der POS Ihrer Meinung nach in Zukunft verändern?
Björn Hoffmeyer: Nicht nur die aktuelle Studie, sondern auch unsere Händlerumfrage aus 2022 hat bereits ergeben, dass nach Ansicht der Befragten vor allem die Kassenzone in ihrer klassischen Form im Laufe des nächsten Jahrzehnts nicht mehr Bestandteil einer zeitgemäßen Store-Inszenierung sein wird. Mittlerweile haben sich sogenannte Self-Scanning-Kassen etabliert und werden von den Verbrauchern auch sehr gut angenommen.
display: Vielen Dank für das Gespräch.