Ob Lift-and-Learn-Lösungen, interaktive Dis­plays oder Videowalls – digitale Features haben vielfach schon Einzug am POS gehalten. Aber welche Potentiale bieten sie für Handel und Marken­strategie, um nicht als reine Spielerei abgetan zu werden? display hat nachgefragt.

Seit Jahren beschäftigt sich der Retail intensiv mit digitalen Möglichkeiten. Kürzlich konnten sich Fachbesucher auf der Euroshop ein Bild von den neuesten Lösungen machen. Was man zusammenfassend sagen kann: Einige Konzepte haben in erster Linie die Funktion, Mitarbeiter im Handel zu entlasten und damit in Zeiten von Personalmangel zu helfen. Dazu ge­hören beispielsweise unbemannte 24/7-Shopformate, digitale Produktberatung und smarte Warenvorschubsysteme, die melden, sobald Produkte im Regal knapp werden. Ein weiterer Trend ist Entertainment beziehungsweise Gamification. Hier geht es darum, den Shopper interaktiv einzubinden und durch spielerisches Engagement zu begeistern. Als weitere Herausforderung ist nach wie vor das nahtlose Einkaufen zu nennen, das seit Jahren gerade durch den Onlineshops zum zentralen Erfolgsgarant für den stationären Handel geworden ist. Welche Lösungen diese Aufgaben erfüllen und warum sich die Investition in digitale Konzepte lohnt, berichten Digital-Experten – auch anhand von Beispielen.

Mehr über Produkte erfahren

Erklärungsbedürftige Produkte mit speziellen Eigenschaften sind beratungsintensiv, Shopper bringen dementsprechend häufig mehr Zeit mit und informieren sich vor dem Kauf. Dafür nutzen viele Fachmärkte Lift-and-Learn-Systeme. Nimmt ein Kunde ein Produkt in die Hand, erscheinen weiterführende Daten auf einem Display. Dafür ist die Ware mit Sensoren ausgestattet. „Normalerweise würde ein Verkäufer nähere Informationen zu Produkten geben, aufgrund von Personalmangel kann es hilfreich sein, mehr Self-Service-Lösungen einzuführen. Auch viele Markenhersteller bevorzugen solche Lösungen, da die Botschaft in allen Geschäften einheitlich ist und nicht vom Training eines bestimmten Mitarbeiters abhängt“, sagt Micheal Sänger, Sales Director Exertis Pro AV.  

„Normalerweise würde ein Verkäufer nähere Informationen zu Produkten geben, aufgrund von Personalmangel kann es hilfreich sein, mehr Self-Service-Lösungen einzuführen.“

Michael Sänger, Sales Director Germany Exertis Pro AV

Foto: Exertis Pro AV

Ein weiteres Beispiel sind interaktive Touch-Displays. Zusammen mit einer Baumarktkette hat Tele Video ein System eingeführt, das erlaubt, Produkte zu scannen und weitere Informationen auf einem Bildschirm zu erhalten. Der Vorteil sei, dass Händler Shopper direkt am Regal erreichen, wo sie zu Produkten greifen und Kaufentscheidungen treffen. Zudem spare sich der Kunde Zeit, minimiere Fehlkäufe und erhalte einen Mehrwert, teilt Tele Video mit. 

Interaktion dank AR

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Allerdings haben digitale Features nicht nur die Funktion Shopper zu informieren, sondern auch zu unterhalten. „Denn in einer Zeit, in der es dem Einzelhandel an Kreativität mangelt, ist die Schaffung von Erlebnissen und die Begeisterung der Kunden entscheidend, um langfristige Beziehungen aufzubauen“, meint Michael Lehnert, Commercial Director Sensape. Hier kommen Künstliche Intelligenz (KI) und Augmented Reality (AR) ins Spiel, die Systeme smart machen. Das heißt, äußerliche Merkmale wie Alter, Geschlecht und 3D-Position von Nutzern können erkannt werden. So können Shopper in eine interaktive Markenwelt eintauchen, in der sie ein Teil davon werden. Beispielsweise können Foto-Funktionen, Gamification oder personalisierte Angebote ausgespielt werden. „Mit unseren Lösungen können Retailer gezielt ihre Zielgruppe ansprechen, ihre Bekanntheit steigern, Abverkäufe steigern oder ihre Reichweite auf Social Media durch User-generated Content erweitern“, versichert Lehnert. Ein Beispiel dafür ist der Foto-Terminal im Paris Saint Germain Store in Paris. Besucher stellen sich vor den digitale Kiosk, werden erkannt und können zusammen mit den Fußballstars auf dem Screen ein Bild knipsen und auf Social Media hochladen. 

Insgesamt gewinnt der POS durch interaktive Systeme an Attraktivität. Händler profitieren davon in vielerlei Hinsicht, fasst Dr. Johannes Tröger, Senior Vice President Strategy & Business Development Ameria, zusammen: „Marken können ihre Produkte ganz anders darstellen. Dabei kann es um Erklärung und Beratung, aber auch um das spielerische Erlebnis gehen. Immer wichtiger wird außerdem die Verbindung digitaler und stationärer Angebote, virtueller und realer Welten. Das geht nur mit Interaktion.“

„Marken können sich und ihre Produkte ganz anders darstellen. Dabei kann es um Erklärung und Beratung, aber auch um das spielerische Erlebnis gehen.“

Dr. Johannes Tröger, Senior Vice President Strategy & Business Ameria

Foto: Ameria

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Ein weiterer Vorteil ist, dass interaktive Systeme Daten sammeln können, wie man es sonst nur von Online-Shops kennt. Für die Erfolgsmessung ergeben sich daraus Chancen, berichtet Peerless-AV: „So kann beispielsweise Software zur Publikumsmessung in kundenspezifischen Kiosken Verhaltensdaten über Kunden sammeln und analysieren, um Einzelhändlern zu helfen, die Wahrnehmungen, Gewohnheiten und Entscheidungsmethoden der Kunden besser zu verstehen.“ Allerdings ist das Thema Analytics noch mit einigen Unsicherheiten verbunden, auch durch datenschutzrechtliche Fragen. „Bei der Datenanalyse besteht noch Aufholbedarf. Viele Markenartikler wissen nicht, was sie mit den Daten ihrer Kunden anfangen dürfen und können. Potential sehe ich beispielsweise bei der personalisierten Angebotskommunikation“, stelt Jessica Reinbold, Managing Partner von Reinboldrost, fest.

Großflächige Hingucker

Im Gegensatz zu den bisher erwähnten Lösungen sind Videowände und Displays nicht zwangsläufig interaktiv, aber gelten visuell als wirkungsvolles Mittel, um in einem wettbewerbsintensiven Einzelhandelsumfeld die Aufmerksamkeit der Shopper zu gewinnen. „Schnelle, aufmerksamkeitsstarke Medien wie Digital Signage eignen sich im LEH perfekt, um Kunden auf Angebote und Aktionen hinzuweisen“, schlägt Reinbold vor.

Dabei liegt besonders eine Technologie im Trend, teilt Digital-Signage-Experte Peerless-AV mit: „Die Zugänglichkeit von dvLED als brauchbare Alternative zu LCD auf dem Videomarkt hat sich sprunghaft verbessert. Die Kosten sinken, der Pixelabstand wird immer schmaler, die Lebensdauer verbessert sich und LED ist nun im größeren Umfang im Handel erhältlich. dvLED-Anwendungen im Einzelhandel reichen von einfachen flachen 130-165-Zoll-Wänden bis hin zu FHD-Wänden, mit denen der Einzelhändler ein kühnes Statement abgeben möchte, bis hin zu riesigen und einzigartigen maßgeschneiderten Videowänden jeder Größe, Form oder Konfiguration, wie beispielsweise gebogene konvexe und konkave Wände mit fehlenden Reihen, hängende Wände, Halbkugeln, Innen- und Außenwände durch Glasscheiben, auf einem Schienensystem, Bodensockel, eingelassen – überall dort, wo ein Einzelhändler eine kreative Vision hat und eine maximale Wirkung erzielen möchte.“

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„Mit unseren Lösungen können Retailer gezielt ihre Zielgruppe ansprechen, ihre Bekanntheit steigern, Abverkäufe steigern oder ihre Reichweite auf Social Media durch User-generated Content erweitern.“

Michael Lehnert, Commercial Director Sensape

Foto: Sensape

„Bei der Datenanalyse besteht noch Aufholbedarf. Potential sehe ich beispielsweise bei der personalisierten Angebotskommunikation.“

Jessica Reinbold, Managing Partner Reinboldrost

Foto: Reinboldrost

Das Ziel vor Augen

Unabhängig davon, welchen Zweck Händler mit digitalen Tools erfüllen wollen, fest steht: Solche Angebote müssen von Shoppern genutzt werden. „Dies hängt stark davon von der Zielgruppe und Produktkategorie ab. Wie digitalaffin sind die Kunden? Was ist ihre Kaufintention? Wie erklärungsbedürftig ist das Produkt? Wie bei allen POS-Maßnahmen sollte das Ziel konkret formiert werden“, rät Jessica Reinbold, Managing Partner der Agentur Reinboldrost, und betont: „Digitale Medien just for fun oder weil sie gerade im Trend sind einzusetzen, bringt nichts.“ Schlussendlich müssen digitale Lösungen zur Strategie einer Marke oder eines Händlers passen. 

Auf die Frage, wie die aktuelle Situation am POS aussieht, antwortet Tröger: „Im stationären Handel gibt es seit Jahren einen Innovationsstau, vor allem in Sachen Einkaufserlebnis. In Kombination mit gestörten Lieferketten, Inflation und sich wandelndem Kundenverhalten wird dies in den nächsten Monaten und Jahren zu großen Herausforderungen führen. Gleichzeitig eröffnen diese Rahmenbedingungen den Händlern, die ihren Kunden Innovationen anbieten, große Chancen.“ Folglich sind digitale Lösungen eine Investition in die Zukunft, sodass der POS relevant und attraktiv bleibt.

Natalia Maucher, Stellvertretende Chefredakteurin display

Kommentar

In Bewegung

Digitale Features beschleunigen den POS. Damit gewinnen stationäre Verkaufsflächen an Schnelligkeit, die Shopper aus dem Online-Shopping gewohnt sind. Werbeinhalte zeigen sich dynamisch – je nach Person, Ort sowie Situation und erzielen dadurch eine höhere Relevanz. Produkte werden durch digitale Informationen erweitert. So lässt sich Ware besser miteinander vergleichen und schließlich einfacher die richtige Kaufentscheidung treffen. Allerdings tragen digitale Medien nicht nur zu Verkaufsförderung bei, sondern stärken auch die Community, die Marken mit ihrer Zielgruppe aufbauen. Besonders interaktive Displays laden zum Mitmachen ein und lassen Shopper als Teil einer Markenwelt agieren, mit der sie sich identifizieren können. Fest steht: Digitale Konzepte zielen auf „Drive to Store“ ab und bringen damit den POS in Fahrt.