Die Meere versinken im Plastikmüll, das Klima spielt verrückt und unsere Ressourcen schwinden nach und nach. In puncto Nachhaltigkeit, da sind sich alle einig, muss etwas geschehen. Doch wie sieht ein nachhaltiger POS aus und wie können Maßnahmen effektiv umgesetzt werden?

In Deutschland fallen jährlich rund sieben Millionen Tonnen Plastikmüll an. Trotz hehrer Ziele werden laut des Magazins Umweltdialog nach wie vor 50 Prozent davon verbrannt. 46 Prozent werden recycelt. Global betrachtet landet ein großer Teil der weltweiten Kunststoffabfälle jedoch immer noch in den Meeren. Schätzungen zufolge sind es mittlerweile mehr als 150 Tonnen Plastikmüll, die sich am Meeresgrund befinden, am Strand liegen oder auf dem Wasser treiben. Der„Great Pacific Garbage Patch“, ein auf dem Wasser treibender Teppich aus Müll wurde erstmals 1997 entdeckt. Inzwischen fand man noch viele weitere dieser Müllstrudel. Der „achte Kontinent“, wie diese Müllflächen im Pazifik genannt werden, hat eine Fläche viermal so groß wie Deutschland und dies ist nur der sichtbare Teil. Und die Müllmenge steigt weiter an. Laut SWR in solch hohem Maß, als werde jede Minute eine LKW-Ladung Plastikmüll ins Meer gekippt.

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Nachhaltigkeit im Handel

Diese Zahlen sind erschreckend, daher muss das Thema Nachhaltigkeit noch stärker in den Fokus von Politik, Industrie und Einzelhandel rücken. „Der Handel hat sich in den letzten zehn Jahren in dieser Hinsicht massiv verändert und eine Vielzahl an Initiativen gestartet. Man braucht sich in diesem Zusammenhang bloß anzuschauen, was Rewe, Edeka oder dm auf ihren Webseiten an Aktivitäten-Vielfalt präsentieren“, berichtet Matthias Wirges, Geschäftsführer der Agentur brand on fire. Trotzdem merkt Wirges an, dass Nachhaltigkeit nach wie vor noch nicht oberste Prämisse ist: „Das Geschäft und die Regeln, nach denen der Handel in Deutschland funktioniert, lassen einen substanziellen Wandel noch gar nicht zu.“ Wirges setzt sich intensiv für mehr Nachhaltigkeit am POS ein und hat gemeinsam mit Prof. Dr. Matthias Fifka von der Universität Erlangen-Nürnberg den POStainable Kodex entwickelt. Der Kodex ist ein konkreter Vorschlag, wie Nachhaltigkeit im POS Marketing realistisch und verbindlich kurzfristig umgesetzt werden kann. Die Idee dahinter ist, dass der Kodex mittelfristig als Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie dient, um innerhalb kurzer Zeit einen tiefgreifenden Wandel und einen echten Mehrwert herbeizuführen. Laut Wirges sind es jedoch die Shopper, die den Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit in der Hand halten: „Den Shoppern kommt eine zentrale Bedeutung zu. Das sich verändernde Kaufverhalten hat in den letzten 20 Jahren erst den Bio-Boom möglich gemacht und dann vegetarischen sowie veganen Marken den Weg geebnet.“

„Das Geschäft und die Regeln, nach denen der Handel in Deutschland funktioniert, lassen einen substanziellen Wandel noch gar nicht zu.“

Matthias Wirges, Geschäftsführer brand on fire

Foto: brand on fire

„Rudi vereint die bewährten Vorteile von Displays, aber mit einem Displaysockel aus recyceltem Kunststoff.“

Bettina Velten, Business Development Manager IPP

Foto: IPP

„Das Q+ Reusable Display ermöglicht eine Einsparung von bis zu 65 Prozent Einwegkartonage.“

Stephan Horstmann, Retail Director Chep

Foto: Chep

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Seitens der Politik wurden in den vergangenen Jahren ebenfalls Maßnahmen ergriffen: Das Verbot von Einmalprodukten wie Wattestäbchen oder auch Trinkhalmen soll zumindest den Müllanteil an Einwegkunststoffartikeln eindämmen. Dazu zählen auch Produkte aus Bio-Kunststoffen oder biologisch abbaubaren Kunststoffen. Mit der geplanten Verpackungsordnung möchte die EU-Kommission Verpackungsmüll reduzieren und negative Umweltauswirkungen, wie hohen Ressourcenverbrauch, eindämmen. Ziel der Verordnung ist es, alle Verpackungen im Sinne des EU-Aktionsplans Kreislaufwirtschaft bis 2030 auf wirtschaftlich tragfähige Weise wiederverwendbar oder recycelbar zu machen. Lösungsansätze und Argumentationsstränge aus dem EU-Aktionsplan Kreislaufwirtschaft beziehungsweise zur Novellierung der EU-Verpackungsverordnung finden auch ihren Weg in den Bereich der POS Promotions. Und hier rückt die Frage, ob Mehrweg-Displays oder Displays aus dem kreislauffähigen Material Wellpappe ökologisch vorteilhafter sind, zunehmend in den Vordergrund.

Recycelter Kunststoff: Der Kunststoffsockel des Mehrwegdisplays Rudi von IPP besteht zu 100 Prozent aus Rezyklaten. Foto: IPP

Kreislauf von Anfang an

Dem Thema Kreislaufwirtschaft hat sich IPP verschrieben. Seit über zehn Jahren besteht das Kerngeschäft des Unternehmens im Pooling von Paletten und Boxen. Im Pay-per-Use-System bietet das Unternehmen eine Auswahl aller gängigen Paletten und Kisten. Ganz neu im Portfolio ist das Mehrweg-Display Rudi. „Rudi vereint die bewährten Vorteile von Displays, aber mit einem Displaysockel aus recyceltem Kunststoff, der auf einer Displaypalette befestigt wird“, erklärt Bettina Velten, Business Development Manager IPP. Ein Sockel des Displays hat eine Höhe von 20 Zentimetern. Werden mehrere Displaysockel aufeinander gebaut, können unterschiedliche Präsentationshöhen erzielt werden. „Durch die Mehrfachnutzung, die der Kunststoffsockel im Kreislauf ermöglicht, hat Rudi einen geringeren CO2-Ausstoß als etwa ein Display aus Kartonage. Selbst der Rücktransport der Sockel vom Handel zum Depot ist in diese Berechnung bereits eingeflossen. Sollte ein Kunststoffsockel beschädigt werden, kann er repariert oder wieder zu Rezyklat eingemahlen werden. So wird Abfall vermieden und Ressourcen werden geschont“, zählt Velten die Vorteile des nachhaltigen Displays auf. Dank RFID Transpondern und Barcodes sind die Sockel jederzeit auffindbar und können zeitnah wieder dem Poolingkreislauf zugeführt werden.

Mehrweg vs. Einweg aus Recyclingmaterialien

Die Effizienz von Mehrwegdisplays unterstreicht auch Stephan Horstmann, Retail Director Chep. Das Thema Nachhaltigkeit gehört fest zum Geschäftsmodell des Anbieters von Ladungsträgern. Auch Chep möchte mit seinem Pooling-Ansatz regenerative Lieferketten schaffen. Mit seiner Q+ Viertelpalette und dem Q+ Reusable Display, bestehend aus Regalböden, die aufeinander gestapelt werden, hat das Unternehmen seiner Ansicht nach eine Möglichkeit gefunden, POS-Aktionen nachhaltiger zu gestalten. „Das Q+ Reusable Display ermöglicht eine Einsparung von bis zu 65 Prozent Einwegkartonage“, erklärt Horstmann. Im Rahmen der Entwicklungen von Q+ hat Chep eine Lebenszyklusanalyse (LCA) von Global Factor, einem zertifizierten unabhängigen Institut, in Auftrag gegeben. Die vorläufigen Ergebnisse basieren auf der für das Produkt durchgeführten Analyse für ein Display mit vier Böden inklusive Ummantelung, Topschild und Haube, im Vergleich zu einem Display aus zehn Kilogramm Einwegkartonage. „Die LCA zeigt eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 36 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Karton-Displays“, bekräftigt Horstmann. Das Q+ Reusable Display durchläuft momentan verschiedene Testläufe, um ein sicheres und effektives Handling im Einzelhandel festzulegen.

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Ansatz klimaneutrales Unternehmen

 Einen anderen Weg hin zu nachhaltigen POS-Lösungen schlägt indes Schoepe Display ein – ein Produzent ebendieser herkömmlichen Wellpapp-Displpays –, wie Geschäftsführer Andreas Grathwohl erläutert: „Seit Januar 2020 produziert Schoepe Display gemäß Greenhouse Gas Protocol Scope 1 und 2 nachweislich CO2-neutral. Das unterscheidet uns von anderen Display-Unternehmen im Markt. In der Regel wird nämlich nur ein einzelner Auftrag mittels Kauf von CO2-Ausgleichszertifikaten kompensiert. Das bedeutet jedoch, dass das produzierende Unternehmen selbst weiterhin, wie gehabt, CO2 und andere Schadstoffe emittiert und somit die Umwelt weiter belastet – es ändert sich nichts.“
Allgemeingültige Lösung existiert nicht
Der Ansatz von Display-Hersteller Schoepe bedeutet jedoch auch, dass die postulierte Reduzierung der CO2-Emmissionen durch den Einsatz von Mehrweg-Displays gegenüber Wellpappen-Displays so nicht mehr haltbar ist. Die Gleichung ändert sich.

„Seit Januar 2020 produziert Schoepe Display gemäß Greenhouse Gas Protocol Scope 1 und 2 nachweislich CO2-neutral. Das unterscheidet uns von anderen Display-Unternehmen im Markt. “

Andreas Grathwohl, Geschäftsführer Schoepe Display

Foto: Schoepe Display

„Die faserbasierten Packstoffe Papier, Pappe und Karton zeichnen sich durch eine hohe Recyclingquote aus, die sich in den vergangenen Jahren bei rund 80 Prozent bewegt hat.“

Dr. Steffen P. Würth, Vorsitzender Verband der Wellpappen-Industrie (VDW)

Foto: VDW

Allgemeingültige Lösung existiert nicht

Der Ansatz von Display-Hersteller Schoepe bedeutet jedoch auch, dass die postulierte Reduzierung der CO2-Emmissionen durch den Einsatz von Mehrweg-Displays gegenüber Wellpappen-Displays so nicht mehr haltbar ist. Die Gleichung ändert sich.
Ob kunststoffbasierte Mehrweg-Systeme grundsätzlich vorteilhafter sind, ist umstritten, wie ein Blick auf die Entwicklung der EU-Verpackungsverordnung (PPWR) zeigt. Der Vorsitzende des Verbands der Wellpappen-Industrie (VDW) Dr. Steffen P. Würth äußerte sich jüngst wie folgt: „Die überwiegende Mehrheit der Kunststoffe wird weiterhin aus fossilen Rohstoffen hergestellt – anders als Wellpappe, die auf pflanzlichen und somit nachwachsenden Ressourcen basiert. Die faserbasierten Packstoffe Papier, Pappe und Karton zeichnen sich zudem durch eine hohe Recyclingquote aus, die sich in den vergangenen Jahren bei rund 80 Prozent bewegt hat.“ Laut Branchenexperten soll die Sammelquote von faserbasierten Displays- und POS-Materialien im Einzelhandel weit jenseits der 90 Prozent liegen.

Dass eine allgemeingültige Lösung schwer auszumachen ist, zeigt auch der kürzlich erfolgte Beschluss der Gremien des EU-Parlaments im Zusammenhang mit der EU-Verpackungsverordnung, nachdem etablierte Systeme des Wertstoffkreislaufs von Papier, Pappe und Karton als gleichwertig zu Mehrwegverpackungen anzusehen seien.

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„Recycling und Recyclingkreisläufe sind ein wesentlicher Teil der Nachhaltigkeitsstrategie.“

Joachim Ostendorf, Geschäftsführer VKF Renzel

Foto: VKF Renzel

„Für Marken wird es immer wichtiger, am POS Stellung zu beziehen und Verantwortung für nachhaltiges Handeln zu übernehmen.“

Oliver Link, Geschäftsführer Heber.Link

Foto: Heber Link

Nachhaltige POS-Lösungen

Auch am POS wird ein Umdenken sichtbar, da Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit immer öfter Bestandteil von Promotions und in der Markenkommunikation sind. Dies bestätigt Joachim Ostendorf, Geschäftsführer VKF Renzel. Er stellt ein gestiegenes Bewusstsein fest: „Recycling und Recyclingkreisläufe sind ein wesentlicher Teil der Nachhaltigkeitsstrategie“, erklärt Joachim Ostendorf, Geschäftsführer VKF Renzel. Er bemerkt aber auch eine verstärkte Nachfrage nach langlebigen POS-Lösungen aus alternativen Materialien wie Holz. „Für Marken wird es immer wichtiger am POS Stellung zu beziehen und Verantwortung für nachhaltiges Handeln zu übernehmen“, bekräftigt Oliver Link, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Heber.Link.

Er berichtet, dass viele Hersteller mittlerweile dazu übergehen ganzheitliche Konzepte für einen nachhaltigen Konsum zu entwickeln: „Der Wasserfilter-Hersteller Brita rief unter dem Motto „Filtern for Future“ in mehreren Städten zu Clean-up-Aktionen an deutschen Gewässern auf. Kombiniert wurde die Promotion mit einer Spende pro verkauftem Wasserfilter an die Whale & Dolphin Conservation. Eine schlüssige Maßnahme im Rahmen des Engagements von Brita für Plastikmüllvermeidung und Ressourcenschonung.“

Umweltverschmutzung, Artensterben, Klimakrise und schwindende Ressourcen führen uns tagtäglich vor Augen, dass ein schnelles Handeln unerlässlich ist. Wenn auch die ersten Schritte gegangen sind, muss der eingeschlagene Weg weitergegangen werden. Denn schon heute kommen laut SWR auf drei Tonnen Fisch fast eine Tonne Plastikmüll. Wenn Politik, Industrie und Verbraucher nicht zusammenarbeiten und gemeinsam Nachhaltigkeitskonzepte zur Vermeidung von Plastikmüll umsetzen, wird es in nur 25 Jahren Schätzungen zufolge mehr Plastik als Fische in den Meeren geben.